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13 Januar

01.02.13  


Grafitti an der Saar, Autobahn, Schwäne und Gartenarbeiter, die gerade in ihrem warmen Schiff Pause machen.

Meine Freundin fliegt morgen zurück nach Kairo. Ich fahre mit dem Auto zum Bauernhof. Bei unserem heutigen Mittagessen steht auf dem Esstisch ihr Computer, auf dem live OnTV zu sehen ist. Wir sehen, was heute in Kairo am Tahrirplatz, am Präsidentenplast und auch was in Port Said passiert. Sie übersetzt mir, was der Kommentator über die Muslimbrüder und Mursi sagt und dass OnTV überall in Ägypten, in den Cafés und in den Dörfern auf dem Land gesehen wird. Ich sage, warum stoppt Mursi nicht einfach diesen Sender. Sie sagt, er kann das nicht, er hat es versucht, aber der Sender gehört einer unabhängigen, privaten Firma. Die Revolutionäre werden, nachdem viel Blut geflossen ist, gewinnen.
Am Abend, vor dem Präsidentenpalast, sieht es auf OnTV aus, als seien die letzten Stunden von Mursi gezählt: Tränengas, Wasserwerfer, Schüsse, Feuerwerk, brennende Autoreifen. Gegen 20 Uhr (ägyptische Zeit) reagiert Mursi mal wieder per Twitter und fordert die Opposition auf, die Demonstranten zurückzuziehen (als ob die das in der Hand hätten) und droht mit schärferen Maßnahmen.

02.02.13  
Gestern Nacht vor dem Präsidentenpalast in Kairo. Ein Demonstrant wurde mit Schüssen getötet, ein anderer nackt ausgezogen, getreten und verprügelt und dann an den Füßen 100 Meter mit dem Gesicht auf dem Asphalt zu einem Polizeiwagen gezogen. Kurze Zeit später war ein Video dieser Szene für die Welt sichtbar auf YouTube.
Und jetzt sagt er beim Staatsanwalt aus, dass es Revolutionäre waren, und dass die Polizei ihn gerettet hat: "Protesters stripped me and police saved me, beaten naked man tells prosecutors". "State TV airs segment explaining how 'stripped man' was attacked by protesters and saved by the police."
Das wird so kommentiert: "only two things would compel a man to deny being irrefutably abused, humiliated, tortured: threat against life, or exploitative bribe."
OnTV hat in der Nacht (2.30 Uhr) mit der Frau des Mannes online telefoniert und nachgefragt. Man konnte da hören, wie ihr jemand im Hintergrund vorgesprochen hat, was sie sagen soll.
Die Muslimbrüder haben Angst, dass sie bei den Wahlen zum Parlament verlieren werden und verdrehen die Wahrheit, so weit sie sich das vorstellen können. Aber wer Angst hat, wird verlieren. Auch wenn nachts um 2.30 normale Ägypter nicht mehr fernsehen, weil sie am nächsten Tag wieder arbeiten müssen. Die Muslimbrüder-Regierung wird nicht ewig dauern. Auch wenn sie sich das wünschen und dafür, so gut es geht, alle Vorbereitungen treffen.
03.02.13  
Die ersten Schneeglöckchen zeigen sich in meinem Garten. Ein total erfreulicher Anblick. Ich hänge überall im Hof neues Vogelfutter auf, aber selbst nach drei Stunden ist noch kein einziger Vogel zu sehen.
Und dann fahre ich wieder Fahrrad, zum erstem Mal seit 14 Tagen. Bei minus 1 Grad und dick eingemummelt: 8 Kilometer. Im ganzen Januar bin ich nur 40 km gefahren. Entschieden zu wenig, um 80 Jahre alt zu werden.
Am Abend: Meine Tochter Joya sagt mir, ich muss hundert Jahre alt werden, damit ich ihre Kinder miterleben kann. Ich anrtworte, einen Mann dafür zu finden, ist schwieriger als hundert Jahre alt zu werden.
04.02.13   Heute Nacht hat es so stark geschneit, dass das Fernsehen über die Satellitenschüssel nicht mehr funktionierte.

Punkt 8 Uhr kamen die Bauarbeiter, um den eingestürzten Keller zu reparieren.

Kurze Zeit später fängt es an zu regnen. Kein Gedanke an Fahrradfahren.

Die neue Mauer, die den verbliebenen T-Träger abstützen soll, ist fertig. Danach wird der ganze Kellerraum mit Kies aufgefüllt. Schade, dass ich vor dem Filmemachen, statt Philosophie und Germanistik zu studieren, nicht eine Ausbildung als Maurer gemacht habe. Aber wer kann schon so weit in die Zukunft schauen.
Auf der DVD-Bestsellerliste von Zweitausendeins (LINK) steht "DAS ROTE ZIMMER" immer noch auf Platz 1, "INS BLAUE" hat aufgeschlossen und ist von Platz 3 auf Platz 2 gewandert.
05.02.13   Am Donnerstag beginnt die Berlinale. Schon früher einmal, 1986 bin ich bis nach Südspanien mit dem Auto gefahren, um ihr zu entkommen. Ich freue mich, dass der neue Film von Thomas Arslan da läuft. Und auch der neue Film von Hong Sang-soo. Wie ihn Dieter Kosslick in seinem großen "Publikumsfestival" allerdings plaziert hat, ist eine Schande.

Ich kann mir schon jetzt vorstellen, wie ein Großteil der deutschen Filmkritiker darüber schreiben wird, denn die Plazierung in einem Festival ist ja schon immer eine Vorab-Wertung. Genauso wie beim Start eines neuen Films die Wahl des Kinos, beziehungsweise die Entscheidung der Kinobesitzer, den Film zu zeigen oder nicht zu zeigen.

Um vielleicht noch eine Berlinale ohne Dieter Kosslick zu erleben, steige ich wieder auf's Fahrrad und fahre 12 Kilometer. Zwischendurch ist es auf dem Fahrradweg gefährlich glatt.

Von Ferne dachte ich, dass das Schneereste wären. Aber beim Näherkommen sehe ich, es sind tätsächlich Wildgänse, die hier kurz Rast machen.

Als ich noch näher komme, fliegen sie weg. Die Fluchtdistanz war schätzungsweise 50 Meter.

Der eingestürzte Keller wird mit Sand aufgefüllt.

Ich nütze die Zeit, bevor es wieder regnet, um endlich das Riesen-Chinaschilf abzuschneiden. An das Schilf im Teich komme ich nicht ran. Da muss der Teich erst wieder zufrieren.
06.02.13  


Da es heute Nacht wieder gefroren hat - Minus 4 Grad, habe ich auch das restliche im Wasser stehende Schilf abgemäht. Jetzt kann der Frühling für meinen Gartenteich kommen.

Heute ist hier der schönste Tag. Ich will nicht nach Berlin fahren.

07.02.13  
Viele Schneeflocken fallen gegen Mittag, rechtzeitig zum Beginn der diesjährigen "Winter-Berlinale".
Und an der Baustelle zum eingestürzten Keller sieht es fast so aus, als sollte da ein Partyraum entstehen. Es ist eine pure Freude, Profis bei der Arbeit zuzusehen. Mir geht es ja auch so beim Filmdrehen. Eine Kamerafrau oder ein Kameramann am Set kann mir richtig Spaß machen. Von Schauspielern will ich erst gar nicht reden. Wenn sie richtig gut sind, treiben sie mir Tränen in die Augen. Vor Glück.

08.02.13  
Ein bisschen Frühling. Draußen liegt schon wieder Schnee. Da es weiter schneien wird, muss ich schon heute nach Berlin fahren. Sonst verpasse ich Jochen Brunows "Scenariobuch"-Vorstellung.
In der FAZ lese ich: "Weniger als zehn Prozent des Programms des diesjährigen Festivals werden noch auf Zelluloid präsentiert. Das Filmlager des Festivals, so erklärte der Festivaldirektor Dieter Kosslick kürzlich, heiße jetzt Film-Office, Filmkopien gibt es praktisch nicht mehr."
Das passt zu meiner Erfahrung am 24. Januar beim Max Ophüls-Festival. Die Kinodigitalisierung tötet Filmkopien. Ich habe ca. 150 Kopien meiner Filme, von denen jede um die tausend Euro gekostet hat. Bald wird ihr Wert auf Null gesunken sein, denn nicht mal Filmarchive reißen sich darum.
09.02.13  
Bilder der getöteten Jugendlichen am Eingang zum Alahwy-Fussballclub. 72 Alahwy-Anhänger wurden vor einem Jahr in Port Said nach einem Fußballspiel im Stadion getötet.




Freitagsdemonstration gestern Nachmittag in Kairo. Alles wird gefilmt.

Gebratene Süßkartoffeln für die Demonstranten, denn das Leben muss für die Leute, die nicht wissen, wovon sie sich ernähren sollen, weitergehen. Der Premierminister hat ihnen nur geraten, weniger zu essen.
Meine Freundin in Kairo schickt mir neue Fotos von heute morgen vom Tahrirplatz und von den Grafitti an der Mohammed Mahmut Street.

Tahrirplatz.



Auch hier zum Gedenken der Toten von Port Said (+2).



Mein Berlinale-Kontakt beschränkt sich auf den Besuch von Jochen Brunows Buchvorstellung von "Scenario Nr. 7". Iris Berben liest daraus vor und das ist sehr bewegend. Wir beide freuen uns, dass wir uns nach so vielen Jahren wiedersehen. Ich frage sie danach, ob wir vielleicht noch mal einen Film zusammen machen sollten. Für sie ohne Gage. Sie sagt, das ist doch kein Problem. Ich sage, ab 1. März schreibe ich ein neues Drehbuch, live online.

In den Potsdamer Platz-Arkaden. Da muss ich leider nochmal hin, um meine Onlinekarte für den neuen Hong Sang-soo abzuholen. Immerhin gibt es bei den Onlinekarten keine Riesenschlange bei diesem Publikumsfestival.

Nach der Scenario-Lesung lädt mich Petra Seeger, mit der ich bei vielen Filmen zusammengearbeitet habe, zu einem Kaffee ein (ihr erster Film mit mir war "HAST DU LUST, MIT MIR EINEN KAFFEE ZU TRINKEN". Das Kaffeetrinken dauerte etwa vier Stunden. Während wir über unsere gemeinsame Vergangenheit und über die Zukunft sprechen, erscheint dieses haarige Mädchen, eine 17jährige Schauspielerin, die irgendwie beim Deutschen Theater ist. Naja in Cannes sind manche Mädchen am Strand fast ganz nackt. Aber das geht bei der "Winter-Berlinale" hier natürlich nicht.
10.02.13   Heute Abend zeigt 3SAT (LINK) um 23.15 Uhr "BERLIN CHAMISSOPLATZ". Milan Pavlovic schreibt dazu im Kölner Stadtanzeiger: "Eine Romanze über die Liebe zweier konträrer Charaktere: Er ist ein reifer, gut situierter Architekt (Hanns Zischler), sie (Sabine Bach) eine junge Studentin. Kann das gut gehen? Diese kleine, sehr feine Produktion war Anfang der 80er Teil einer erbitterten Diskussion um deutsche Werke: Weil der Film vieles nur andeutet und nicht alles ausspricht, wurde er von Pedanten barsch attackiert. Dabei gehört doch gerade das Träumerische zu seinen größten Qualitäten."
Die FAZ am Sonntag empfiehlt "BERLIN CHAMISSOPLATZ" ebenfalls: „Alles schon mal da gewesen, würde der Kulturkritiker sagen, Gentrifizierung in Kreuzberg, Kampf für mieterfreundliche Sanierungen. Ist ja schon gut! Ist aber noch besser, diesen schönen Film von Rudolf Thome aus dem Jahr 1980 anzuschauen, der von der Liebe eines Architekten (Hanns Zischler) zu einer viel jüngeren Frau (Sabine Bach) erzählt und noch mehr über das Berliner Lebensgefühl jener Jahre. Lebendige Archäologie!“
11.02.13  

Der Papst verkündet heute seinen Rücktritt. Ob Präsident Mursi in Ägypten auch schon mal darüber nachgedacht hat? Genau heute - vor zwei Jahren - hat sein Vorgänger Hosni Mubarak dasselbe getan! Da ich gerade an einer Kritik zu Yousry Nasrallahs "After the Battle" für die Filmzeitschrift "CARGO" sitze, stellt sich bei mir diese Verknüpfung automatisch ein.
Auch ich sollte anfangen, über einn "Rücktritt" nachzudenken. Allerdings bin ich 11 Jahre jünger als der Papst. Wenigstens zwei Filme sollten da - altersmäßig - schon noch drin sein.

12.02.13   Ich schaffe es tatsächlich alle inneren Widerstände zu überwinden und meine Kritik für CARGO zu Yousry Nasrallah's "After the Battle", der in Cannes 2012 im Wettbewerb lief, zu schreiben. Es ist allerdings, da ich ja noch Zeit habe, nur ein erster Entwurf. Morgen muss ich nochmal drübergehen. Heute bin ich fix und fertig von der Anstrengung des Schreibens.
13.02.13   Gestern Abend ein großes Treffen deutscher Filmemacher zur Eröffnung eines Webportals (LINK) für das deutsche Kino - eine Initiative von Hans W. Geißendörfer und Joachim von Viettinghoff. Ich treffe viele Kollegen, viele Schauspieler.

Spannender als die Demonstration dieses Webportals war für mich Eva Mattes, die mir klitzeklein den neuen Film des iranischen Filmregisseurs Jafar Panahi erzählt hat. Auch bei einer Demo vor der iranischen Botschaft war sie dabei.
Hannelore Elsner und Iris Berben habe ich auch getroffen…

…und Wim Wenders, dem ich vor zwei Jahren eine DVD von Hong Sang-soo's "Okis Movie" geschickt hatte, hat mir gesagt, dass er sich den Film angeschaut hat und ihn ganz toll fand. Jetzt muss ich nur noch am Samstag den neuen Film von Hong Sang-soo anschauen, dann ist die Berlinale für mich beendet.

Hier zwischen S-Bahnhof Halensee und Stadtautobahn war einmal meine Autowerkstatt. Da habe ich die Szene gedreht, wo Serpil Turhan bei "ROT UND BLAU" einen Audi TT kauft. Jetzt entsteht in dieser gigantischen Baugrube ein neuer Baumarkt.
14.02.13  
Der koreanische Trailer zu "Nobody's Daughter Haewon", der morgen im Wettbewerb der Berlinale läuft.

15.02.13  
Hong Sang-soo's Berlinale-Pressekonferenz. Den Film kann ich erst morgen früh sehen.

Hong Sang-soo.
Eine erste SMS um 11.14 Uhr im CARGO-Blog von Dominik Kamalzadeh: "NOBODY'S DAUGHTER HAEWON ist hong sang-soos ernstester film seit längerer zeit: eine melancholisches vermessen von ungleichheiten in der liebe. großartig, wie er die stimmungen moduliert."
Die Berliner Morgenpost titelt: "Sangsoo schweigt sich durch die Pressekonferenz" und stellt fest, dass der Festivalpalast bei der Pressevorführung um 9 Uhr halbleer war.
Eine zweite SMS im CARGO-Blog von Lukas Foerster: "Ein model das vielleicht der teufel ist wandelt durch ihr tagebuch das vielleicht nur ein traum ist. Ein telefonanruf von scorsese und die wunden hat diesmal der mann. Hong spielt weiterhin in seiner eigenen liga."
Eine dritte SMS im CARGO-Blog von Ekkehard Knörer (er hat mich vor 2 Jahren bei der Viennale auf Hong Sang-soo aufmerksam gemacht): "der tod ist präsent, aber das sterben auf dem titel des buchs von norbert elias ist nicht lesbar. der zigaretten sind viele, die wunden sind tief, der traum nimmt kein ende. (wahrscheinlich bin ich ein oberflächlicher mensch, muss aber gestehen, dass ich die schreiend komischen hongfilme noch eine spur lieber mag als einen so relativ ernsten wie nobody's daughter haewon.) (73cp)"
Die filmstarts.de-Redaktion (LINK) verleiht schon mal ihre eigenen Bären: "Den Silbernen Bären für die beste Regie verleihen wir an den südkoreanischen Festival-Veteranen Hong Sang-Soo. Der beweist mit „Nobody's Daughter Haewon“, dass Regie nicht permanent ein Kraftakt sein muss, sondern sich genauso auch durch Konzentration und Gelassenheit auszeichnen kann. Das gilt in besonderer Hinsicht für sein neuestes Werk, das mit einer bestechend ruhigen Hand inszeniert wurde und in seinem schier genialen Minimalismus einem Gedicht in Filmform gleicht. Hong beweist wahre Meisterschaft gerade durch seine Unverkrampftheit und Mut zur Lücke. Ein Poet eben."
16.02.13  


Hier habe ich heute morgen um 9.30 Uhr Hong Sang-soo's "Nobody's Daughter Haewon" gesehen. Das Kino war nur drei Viertel voll, aber das Publikum ist mit viel Lachen mitgegangen. Auch ich habe ein paarmal gelacht, aber noch viel öfter vor mich hin gelächelt. der Film ist ein unglaubliches Porträt einer jungen Frau, die sich in einem Übergangsstadium zwischen Mädchen und Frau befindet. So hat Katharina Lorenz ihren Zustand beschrieben, als ich sie für "DAS ROTE ZIMMER" gecastet habe. Morgen schreibe ich mehr über den Film, denn jetzt bin ich endlich wieder…

…auf meinem Bauernhof. Und da bleibe ich auch bis zum Drehbuchschreiben. Ich muss höllisch aufpassen, dass mir nicht schon jetzt was einfällt.

17.02.13  
In meinem Kopf vermischen sich Bilder aus jetzt 3 Städten: Berlin, Kairo und jetzt auch noch Seoul.

Ein Bunker in der Reinhardtstraße gegenüber dem Friedrichstadt-Palast. Seine Geschichte: Schutz für die Bevölkerung im II. Weltkrieg, russisches Militärgefängnis, Lager für Südfrüchte in der DDR, Techno-Club und jetzt ein privates Museum für zeitgenössische Kunst, dessen Sammler hat sich auf dem Dach ein Penthouse gebaut.

Spreebrücke gegenüber dem Berliner Ensemble. Da habe ich 1977 eine Nachtszene mit Cora Frost und Herbert Fritsch für "TIGERSTREIFENBABY WARTET AUF TARZAN" gedreht.

Unter den Linden.

Friedrichstraße, Ecke Unter den Linden. Ganz Berlin ist eine Baustelle und ich fürchte, daran wird sich auch in Zukunft nichts mehr ändern. Wie schön war es da doch bei den vielen Spaziergängen durch Seoul in "Nobody's Daughter Haewon". Es gibt übrigens eine CD von Courtney Love mit dem Titel "Nobody's Daughter". Es wäre cool gewesen, wenn Hong statt Beethovens 7. Sinfonie diese Musik benutzt hätte. Aber dafür hätte er vermutlich kein Geld gehabt.
Jetzt bin ich wieder bei Hong. Auf diesem Foto trifft Haewon zufällig Jane Birkin, die sie nach dem Weg gefragt hat. Vorher ist sie beim Lesen des Buches von Norbert Elias "The Loneliness of the Dying" eingeschlafen. Hat Haewon diese Szene also geträumt oder ist sie real? Beim Sehen des Films habe ich darüber nicht nachgedacht (weil ich nie denke, wenn ich in einem Film drin bin).
Ich glaube Hong, der ja auch schon über fünfzig ist, hat sich in die Figur hineinprojieziert und deshalb wird im Film so viel über den Tod gesprochen und nur deshalb ist die Auswahl des Buches von Norbert Elias kein Zufall, obwohl Hong bei der Berlinale-Pressekonferenz das behauptet hat. Ich erinnere mich, dass ich beim Drehen meiner letzten Filme den Hauptdarstellerinnen nach einigen Drehtagen immer gestanden habe, dass sie mich spielen. Es ist natürlich ein Supertrick von Hong seine Todesgedanken in ein junges Mädchen zu projiezieren.
Eine der aufschlussreichsten Szenen von "Nobody's Daughter" war beim Sehen für mich, wenn Kaewon mit ihrer Mutter spazieren geht und ihre Mutter sagt, sie sei schön und groß und könne doch, wenn das mit der Schausapielerkarriere nicht klappt, auch als Model arbeiten. Kaewon greift den Vorschlag ihrer Mutter auf und spielt Model. Sie macht gekonnt einen Catwalk um eine Statue herum, wird dabei immer wilder und verrückter. Die Szene ist natürlich viel zu lang, aber Hong folgt ihr mit der Kamera neugierig, ein bisschen wie ein stolzer Vater seine Tochter filmen würde. Von meiner Begegnung mit Hong bei der Arsenal-Retrospektive weiß ich, dass er eine Tochter im Alter meiner Tochter hat, die allerdings weder Schauspielerin noch Filmregisseurin werden will.
Ich bewundere die Wandlungsfähigkeit der Schauspielerin Jung Eun-chae. Bei den Szenen mit ihrer Mutter wirkt sie wie ein Teenager, bei den Szenen mit ihrem Professor, dessen heimliche Geliebte sie ist, wirkt sie wie eine starke Frau, die genau weiß, was sie will. Obwohl es in der Geschichte des Films genau darum geht, dass sie das nicht weiß. Ich hoffe, dass ich bald durch meine Kontakte eine DVD des Films bekomme, denn ich werde ihn mir mit Sicherheit noch ein paar Mal anschauen.
Für mich ist "Nobody's Daughter" ein "kleines Meisterwerk" (diesen Begriff haben die Cahiers du Cinéma benutzt, nachdem sie meinen Film "DER PHILOSOPH" in Cannes gesehen haben).
Filmfestivals, Filmkritiker und Kinobesitzer wollen heute, in unserer "globalisierten Welt", Filme mit großen Themen, am besten mit großen Schauspielern. In Deutschland ist noch nie ein Film von Hong Sang-soo ins Kino gekommen. Nach Frankreich allerdings ist "Nobody's Daughter" schon verkauft. Wenn mein Prometheus Filmverleih Geld hätte, würde er diesen Film und vor allem auch "Oki's Movie" sofort in die deutschen Kinos bringen. Vielleicht wäre ich dann als Filmverleiher erfolgreicher als als Filmregisseur?
18.02.13  
12 Kilometer-Fahrradfahrt. Fast windstill, aber frisch bei 1 Grad plus.
19.02.13  
Heute Nacht hat es damit angefangen und es…

…schneit immer weiter.
Im April soll ein neuer Roman von Haruki Murakami erscheinen. Der Guardian (LINK) spekuliert über die Geschichte.
20.02.13  
Wilder Wein. Ohne Blätter. Ich will, dass es Frühling wird.

Ich versuche es mit Selbsthilfe.
In Ägypten wird alles immer unübersichtlicher und das Militär scheint nach diesem Artikel auf Ahram Online (LINK) nur darauf zu warten, dass Mursi aufgibt. Doch das werden die Muslimbrüder, die hinter ihm stehen, niemals zulassen. Wie lange wird es noch dauern, bis sein Haus von Panzern umstellt wird und er wie sein Vorgänger Mubarak im Gefängnis landet? Noch vor oder erst nach den Wahlen zum Parlament?

Am Vormittag mache ich ein Interview mit Anton Ludwig, der bei "DAS ROTE ZIMMER" Aufnahmeleiter war, über filmproduktionstechnische Dinge für eine Hausarbeit in Betriebswirtschaft. Er will einmal Filmproduzent werden und stellt mir ziemlich wissenschaftliche Fragen, aber es hat Spaß gemacht.
21.02.13  


Mein Mittagessen gestern.

Mein Mittagessen heute. Ein Maishuhn mit sehr viel Knoblauch.
In Ägypten scheint sich die Lage zuzuspitzen (LINK). Heute soll Mursi den Termin für die Wahlen zum Parlament bekannt geben: erst Mitte Mai lese ich bei Twitter. Wie will er so lange durchhalten? Bis dahin soll der Weizenvorrat noch reichen. Wahlen ohne ägyptisches Brot. So blöd können seine Chefs bei den Muslimbrüdern nicht sein. Oder doch? Außerdem ist das vom Oberhaus des Parlaments erarbeitete Wahlgesetz nicht verfassungsgemäß, das hat das oberste Verfassungsgericht vor 2 Tagen entschieden und muss daher nachgebessert werden. Den Weg zurück zum Verfassungsgericht wollen sich die Muslimbrüder ersparen und damit riskieren, dass das dann neu gewählte Parlament zum zweiten Mal aufgelöst wird. OMG (das heißt bei Twitter "Oh My God").
Wenn ich die Augen zumache für einen Mittagsschlaf sehe ich vor mir endlose Twitter-Nachrichten. Beim Drehbuchschreiben im März muss ich wohl damit aufhören die zu lesen, sonst fällt mir nur wieder ein Film ein, der in Ägypten spielt - so wie bei "DAS MÄDCHEN VOM FLUSS". Ob ich wie geplant im Mai nach Kairo fliegen kann, wird dadurch sehr unsicher.

22.02.13   Die Muslimbrüder und ihr Präsident haben sich für ein ungewöhnliches Wahlmanöver entschieden (LINK). Die Wahlen ziehen sich über zwei Monate hin. Der erste Wahltermin ist ungünstig für die Kopten, denn die feiern da Ostern. Will Mursi, dass die Kopten nicht wählen? Im übrigen hat die ägyptische Regierung 140.000 amerikanische Tränengas-Kanister (LINK) bestellt.
Ich bekomme heute neue Fotos von meiner Freundin aus Kairo:







Was wird in Kairo passieren, wenn der Staat kein Geld mehr hat, um Weizen für das Brotbacken zu kaufen?


Eine Nebenstraße des Tahrirplatzes.

Ein neues Grafitto. Die Polizei ist schlimmer als unter Mubarak.
23.02.13  
Es schneit und schneit. Dieser Schneemann steht am Eingang zu meinem Dorf.
Aktivisten in Ägypten haben Präsident Mursi (LINK) für einen Flug in den Weltraum angemeldet, berichtet ein Blog der New York Times.

Tahrirplatz. Im Hintergrund das ägyptische Museum. Präsident Mursi will "ernsthaft" nachdenken, ob sich der erste Wahlgang doch noch verschieben läss, damit die Kopten doch noch ungestört ihr Osterfest feiern können. Warum hat er nicht von Anfang an daran gedacht? Oder will er ihnen die Verschiebung als großzügiges Geschenk präsentieren?



Mohammed Mahmut Straße, linke Seite.

Mohammed Mahmut Straße, rechte Seite.








24.02.13   Seit gestern Abend bin ich krank und habe Fieber. Es hört nicht mehr auf zu schneien. Gott sei Dank habe ich gestern noch neues Vogelfutter im Hof aufgehängt.



Ich schaue mir Filme von der Deutschen Filmakademie an. Heute "Schlussmacher" von Matthias Schweighöfer. Ich komme mir vor, als hätte mich ein böser Mensch in die Hölle für Filmemacher geworfen. Das ist mit Sicherheit der schlechteste Film, den ich in den letzten 10 Jahren gesehen habe. Und "Schlussmacher" hat schon über zwei Millionen Kinozuschauer.
25.02.13   Heute Vollmond. Totaler Wetterwechsel. Nieselregen. Gestern habe ich vier deutsche Filme gesehen. Von Till Schweiger "Schutzengel". So schlecht ist der gar nicht. Till Schweiger träumt vom amerikanischen Kino und er liebt seine Tochter Luna wie verrückt. In der Nacht wollte ich Oscarverleihung gucken, bin aber dann bei Michael Verhoevens "Die weiße Rose" hängengeblieben, weil ich die Zustände in Deutschland unter Hitler ununterbrochen mit Ägypten unter Mursi verglichen habe. Mursi hatte gestern ein offenherziges Interview für den Abend angekündigt. Das aber wurde, wie ich am Morgen durch Twitter erfuhr, erst nachts um 2 Uhr gesendet.
Heute habe ich ein seit Jahren unbenutztes Zimmer leergeräumt, alle Spinnweben, die sich dort angesammelt hatten, abgesaugt, den Boden nass gewischt und sogar die Fenster geputzt. Denn da will ich ab dem 7. März mein neues Drehbuch schreiben…

…das mit Sicherheit aber nicht "Das grüne Zimmer" heißen wird.

Meine Freundin hat mir heute morgen noch dieses von ihr bearbeitete Foto von den Grafitti auf der leeren Mohammed Mahmut Straße geschickt.
26.02.13  

Der ägyptische Präsident hat Tränen in den Augen, wenn er zu seinem Volk spricht. Zwei Texte zur Mursis TV-Interview (LINK1) nach Mitternacht (LINK2).
Und Sandmonkey beschreibt die siebentausendjährige Geschichte Ägyptens (LINK3)und wie es dazu kam, dass die Pyramiden gebaut werden konnten. Ein unendlich trauriger und schöner Text.

Gegen Mittag besucht mich Cornelius Schwalm, der Schauspieler der in "PINK" der Eigentümer meines Bauernhofs ist, der im Film immer wieder vor sich hin singt und am Ende das Herz von Hannah Herzsprung gewinnt. Er erzählt mir alles, was er in den letzten zwölf Monaten an Abenteuern aus dem Liebesleben durchgemacht hat und auch von seinen Krankheiten. In wenigen Tagen feiert er seinen 47. Geburtstag, und das ist ein Alter, wo schon so Einiges bei den Milliarden Körperzellen, aus denen ein Mensch besteht, schief gehen kann. Mit einem Wort wir haben viel Spaß miteinander. Bevor er nach Berlin zurückfährt, transportieren wir zusammen noch eine schwere eicherne Schreibtischplatte vom grünen Zimmer in den ehemaligen Pferdestall.

27.02.13  

Bei mir im Garten hat sich ein Drama abgespielt…

…ich schaue wie weit die Schneeglöckchen mit dem Blühen sind…

…und entdecke das. Vielleicht war's der Marder, der bei mir wohnt und den ich einfach nicht mehr los werde. Oder eine streunende Katze?
Im neuen Spiegel lese ich in einem Text, dass man in vielen deutschen Schulen nicht mehr "sitzen bleiben" kann. Ich wusste nichts davon. Ich selbst bin auf meinem Gymnasium in Biedenkopf einmal "sitzen geblieben". Ich glaube, es war die Quarta (das dürfte heute die 7. Klasse sein). Nicht weil ich so schlecht in den einzelnen Fächern war, sondern weil die Schulleitung mir ein "Betragen ungenügend" gegeben hatte. Das bekam ich, weil ich mit meinem Bruder und meinen Freunden eine Katze qualvoll getötet hatte. Das hatten wir allerdings nicht aus purer Mordlust getan, sondern weil in unserem Garten ein Distelfinknest war (die waren schon damals ziemlich selten) und wir Angst hatten, dass diese streunende Katze die Jungen fressen könnte. Woran ich mich erinnere ist, wir haben versucht sie zu erwürgen und weil das nicht funktionierte, haben wir sie ersäuft. Meine Mutter ist kurze Zeit später gestorben, und mein Bruder und ich wurden in ein Internat in der Nähe des Bodensees gesteckt, weil unsere Verwandten der Meinung waren, wir seien "zu wild" für unseren Vater und bräuchten eine harte Hand bei der Erziehung. Das war eine super-gute Entscheidung, denn ich denke auch heute bin ich irgendwie noch "zu wild". Ich könnte nie einen Film wie "Die weiße Rose" drehen. Ich bin irgendwie von Geburt an unangepasst.
Ich erzähle das jetzt, weil es für mich ein einschneidendes Ereignis in meinem Leben war. Die anderen Kinder im Dorf haben mir damals nachgerufen "Katzenmörder".
Warum schreibe ich das jetzt in meinen Blog? Weil ich nie, nie eine Autobiografie schreiben möchte, sondern auf jemand warte, der irgendwann mal eine Biografie schreibt. Der kann dann all das Zeug, was in meinem Blog steht, benutzen. Es könnte sein, dass ich das nicht mehr erlebe. Aber sollte ich es erleben, würde ich mich schon darüber freuen. Damit ich es erleben kann, habe ich wieder einen Fünf-Liter-Kanister Olivenöl aus Kreta gekauft…

…denn damit, heißt es in der Werbung, kann man 100 Jahre alt werden. Ich benutze das schon seit 7 oder 8 Jahren. Und in "DAS ROTE ZIMMER" muss das Katharina Lorenz (gegen den heftigen Widerstand meiner Ausstatterin) auch tun. Katharina Lorenz hatte allerdings wenig Erfahrung mit Fünf-Liter-Olivenöl-Kanistern und hat viel zu viel in den Salat gegossen. Das Publikum (zumindest bei der Viennale) hat die Szene geliebt. Denn es hat das nicht als Fehler, sondern als Absicht, als emotionale Vewirrung (=Liebe) interpretiert. Auch die Degeto hatte bei der Filmabnahme keine Probleme wegen Product-Placement. Das war's ja auch nicht. Natürlich habe ich von dieser Minifirma aus Kreta kein Geld gekriegt. Mir ging es nur um das Hundert-Jahre-Altwerden, das ich ins Drehbuch geschrieben hatte.
Auf jeden Fall werde ich dieses Olivenöl weiter benutzen. Vielleicht haben die Olivenölhersetller ja recht und ich werde tatsächlich noch hundert Jahre alt. Davon trennen mich nur noch ein paar (=24) Jahre. Das mag komisch klingen, denn das ist ja noch ein Vierteljahrhundert, aber je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Für mich also sind 24 Jahre, wenn ich sie erlebe, gefühlt nur noch etwa 10 Jahre. Ich zähle die Jahre nicht mehr wirklich, aber sehe jeden Morgen die Haare, die beim Kämmen jeden Morgen nach dem Rasieren in meinem Kamm stecken.

     
     
     

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